Vainamoinen: Es gibt einen systematischen logischen Fehlschluss, der im englischen "Appeal to Nature" heißt. Das Argumentationsschema dabei ist, dass etwas angeblich deshalb schlecht sei, weil es in der Natur anders angelegt wäre (es also "widernatürlich" ist). Es ist jedoch natürlich so, dass etwas nicht deswegen 'gut' ist, nur weil es in der Natur so angelegt ist. Tatsächlich sehe ich die wahre Errungenschaft der Menschheit darin, sich über das, was die Natur "vorsieht", zu erheben – und etwa seine ganze Liebe nicht mehr notwendig auf Partner zu beschränken, die der natürlichen Fortpflanzung dienen können.
In seinem Buch "Last Chance to See" hat Douglas Adams sehr liebevoll den Kakapo beschrieben, einen für uns recht grotesk anmutenden fetten Papagei, der auf Neuseeland zunächst keine natürlichen Feinde vorfand. Konsequenterweise hörte er mit dem Fliegen über die Jahrhunderte auf und legte sich, um eine Überbevölkerung auf dem vergleichsweise winzigen Territorium zu vermeiden, fantastisch anmutende Paarungsrituale zu, welche grundsätzlich vollkommen erfolglos verlaufen.
Die Zeiten änderten sich für den Kakapo schlagartig, als Menschen auf der Insel eintrafen. Sein Verhalten war jedoch in der Natur angelegt. Es war nicht zu ändern. Im Gegenteil, des Kakapos Strategie gegen sein rapides Aussterben scheint zu sein, sich NOCH LANGSAMER fortzupflanzen. Es gibt noch genau 86 Kakapo auf dieser Erde, weil der Vogel einfach nicht in der Lage ist, sich über seine Natur zu erheben.
Beim Menschen ist es exakt ebenso. Der Sozialdarwinismus gehört zu seiner Natur ebenso wie irgendwo einzufallen und sich zu nehmen, was er eben gerade braucht. Dieses Erfolgsrezept hat für die Menschen über Jahrtausende ganz hervorragend funktioniert. Jetzt ist uns klar: Es funktioniert nicht mehr, es führt in unseren Untergang. Und wir ändern trotzdem nichts, wie der Kakapo.
Nun, die wichtigste Regel der Natur (wie ich finde) wird dabei aber außer Acht gelassen, nämlich, dass die Natur vorsieht, dass nur die Geschöpfe dauerhaft überleben dürfen, welche sich ihr am besten anpassen UND auf Veränderungen reagieren können (was dieser Papagei wohl eben nicht konnte). Die Dinosaurier sind deswegen ausgestorben.
Und auch der Mensch scheint nicht dazu in der Lage zu sein, sich den neuen Bedingungen (als Herrscher der Welt) anzupassen. Beispiel: Bevölkerungszuwachs. Was tut der Mensch gegen die ständig wachsende Bevölkerung und die ebenso steigende Lebenserwartung. Er führt Kriege, um die Bevölkerung zu dezimieren. Gibt sicher bessere Methoden als das...obwohl diese Vorgehensweise über Jahrtausende ja hervorragend funktioniert hat. Damals mag das auch so gewesen sein, doch heutzutage vernichten die Waffen der Menschen aber nicht nur den Menschen selbst, sondern auch seinen Lebensraum (Bomben, radioaktive Munition, Chemie- und Biowaffen), was dann auch die Lebensgrundlage der überlebenden Menschen und auch der Tiere (von denen sich die Menschen ernähren) dauerhaft zerstört.
Ich finde, dass wir uns eben NICHT über die Dinge erhoben haben, welche die Natur vorsieht und welche wir im Grunde nicht mehr zum Überleben brauchen. Zumindest nicht die wichtigen. Wir nehmen uns immer noch mit Gewalt, was wir wollen, wir vermehren uns immer noch wie die Karnickel, wir werden immer noch eifersüchtig und nutzen/unterdrücken immer noch diejenigen, die vermeintlich schwächer sind.
Wir HÄTTEN Großes vollbringen können, als wir den Kreislauf der Natur durchbrachen (einige Individuen taten das auch). Doch im Großen und Ganzen tun wir immer noch dasselbe wie in der Steinzeit, was heutzutage aber der direkte Kurs in Richtung Selbstzerstörung ist.