Es ist noch immer eines der besten Adventures aller Zeiten, aber da eine digitale Version fehlt, geriet Blade Runner von Westwood Studios über die Jahre mehr und mehr in Vergessenheit. Bis jetzt. Dank der harten Arbeit von hingebungsvollen Fans und GOG.COM, steht dem Spiel ein großes Comeback auf modernen PCs bevor.Los Angeles November 2019
Der Film "Blade Runner" aus dem Jahr 1982 zählt zweifelsohne zu den absoluten Scifi-Klassikern. Regisseur Ridley Scott brauchte über zwei Jahre und nahm große Anstrengungen auf sich, um den Film zu verwirklichen, der auf dem Roman "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" von Philip K. Dick basiert. Das Ergebnis war absolut atemberaubend. Das futuristische Design von Syd Mead, die Musik von Vangelis und schauspielerischen Leistungen von Harrison Ford, Sean Young und Rutger Hauer ergaben in Kombination ein zeitloses Meisterwerk.
Die Jagd des Polizisten Rick Deckard auf Replikanten, die sich als Menschen ausgeben, wurde vielfach als Scifi-Version eines Film-Noir-Krimis bezeichnet. Allerdings spiegelte der Film zugleich die zu dieser Zeit verbreiteten Bedenken bezüglich der rasend schnellen Entwicklung von Computern und künstlicher Intelligenz wider. Für viele Spieler waren es genau diese Bedenken, die Blade Runner zu einem Symbol der neuen digitalen Ära machten.

Erinnerungen! Du sprichst von Erinnerungen!
Die erste Spieleadaption von Blade Runner erschien 1985 für den ZX Spectrum. Sie erfuhr nicht allzu viel Beachtung, aber nicht umsonst heißt es: Das erste Mal geht immer in die Hose. Die Veröffentlichung des Director's Cut von Blade Runner 1992 fachte das Interesse an einer weiteren, passenden Videospiel-Umsetzung des Films neu an. Inzwischen hatte die Initiative sogar eine juristische Vertretung namens "Blade Runner Partnership". Eine Frage war allerdings noch offen: Wer traut sich die Videospiel-Umsetzung eines solchen Kultfilms zu?
Blade Runner Partnership trat mit dem Projekt an verschiedene Firmen heran, darunter Sierra und Electronic Arts, aber sie lehnten alle ab. Nach langer Suche konnte schließlich Virgin Interactive für eine Partnerschaft gewonnen werden. Ein Grund für diese Entscheidung waren die erfolgreichen Geschäftsbeziehungen zu Westwood Studios. Wenn jemand eine überzeugende Videospiel-Umsetzung von Blade Runner hinbekommen würde, dann das Studio hinter "Lands of Lore" und der "Command & Conquer"-Serie.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit uns bleiben würde. Aber wer tut das schon?
Trotz der Erfahrung und Mittel von Virgin und Westwood erwies sich die Entwicklung eines Spiels auf diesem filmischen Niveau als ein gewaltiges Unterfangen. Die ersten Hindernisse tauchten dabei schon vor Beginn der eigentlichen Arbeit auf. So dauerte es zum Beispiel mehrere Jahre, bis alle Rechte an der Blade-Runner-Lizenz eingeholt waren. Letztlich umgingen die Entwickler einige juristische Probleme, indem sie erklärten, dass sie nur einen Titel entwickeln, der in der Welt von Blade Runner spielt, und keine direkte Adaption des Films.
Aber natürlich musste im Spiel irgendwie auf Ridley Scotts Film Bezug genommen werden. Daher verläuft die Geschichte des Spiels, die von David Yorkin und David Leary stammt, parallel zur Handlung im Film. Der Held des Spiels ist ein Detective namens Ray McCoy, der zeitgleich mit Rick Deckard Ermittlungen zu verschwundenen Replikanten anstellt – gelegentlich kreuzen sich ihre Wege auch, allerdings nie direkt. Der Grundgedanke war, ein Echtzeit-3D-Adventure zu schaffen, bei dem sich die Geschichte anhand der Entscheidungen des Spielers verändert, sodass sie auf verschiedene Weise enden kann.
Um den filmischen Charakter des Spiels noch zu verstärken, wurden einige Schauspieler aus dem Film, wie etwa Sean Young und James Hong, als Sprecher verpflichtet. Ridley Scott und Harrison Ford waren zwar nicht an der Entwicklung beteiligt, aber das Spiel orientiert sich stark an der szenischen Gestaltung und der Musik des Films. So wurden zum Beispiel Original-Konzeptzeichnungen von Syd Mead für das Design des Spiels verwendet, und der Hauskomponist von Westwood, Frank Klepacki (Schöpfer des berühmten "Höllenmarschs" aus C&C: Alarmstufe Rot), ließ sich von den frühen Werken von Vangelis inspirieren.

Ich will mehr Leben!
Die juristischen und gestalterischen Probleme waren allerdings nichts im Vergleich zu den technischen Herausforderungen, mit denen sich die Entwickler von Blade Runner konfrontiert sahen. Der Main Director und Lead Artist, Louis Castle, merkte in einem späteren Interview an, dass das gesamte Spiel von Null an entwickelt werden musste, da keine geeignete Engine zur Verfügung stand. Und die futuristische Film-Noir-Atmosphäre des Los Angeles aus dem Jahr 2019 ließ sich nicht mit halbherzigen Maßnahmen schaffen.
Um die gewaltigen Erwartungen der Fans erfüllen zu können, entwickelten die Programmierer von Westwood einige innovative Lösungen. Statt Polygone für die Darstellung von Charakteren zu verwenden, nutzen sie beispielsweise die sogenannte Voxel-Grafik. So erhielten die Figuren im Spiel ein realistischeres, detaillierteres Aussehen. Zudem kamen für alle Handlungsorte zusätzliche, versteckte Grafikebenen zum Einsatz, sodass das Aussehen der Charaktere durch Licht, Schatten und Rauch beeinflusst werden konnte.
Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet.
All dieser Aufwand hatte allerdings auch seinen Preis. Der erwähnte Louis Castle ging davon aus, dass das Studio mindestens 300.000 Einheiten verkaufen musste, um in die Gewinnzone zu kommen – selbst heute noch eine beachtliche Zahl. Als das Spiel schließlich erschien, wurde die von Castle angesetzte Zahl jedoch zum Glück schnell erreicht – und überboten. Von Blade Runner wurden ab dem Erscheinungstermin im November 1997 weltweit mehr als 800.000 Exemplare verkauft. Die Kritiker waren von dem Titel ebenfalls begeistert, und er wurde als bestes Adventure des Jahres mit dem Interactive Achievement Award ausgezeichnet.
Es gab sogar Überlegungen zu einer Fortsetzung, die aber schnell aufgegeben wurden, nachdem Virgin Interactive festgestellt hatte, dass für die Produktion die damals unglaubliche Summe von 35 Millionen Dollar nötig gewesen wäre. Die Schließung von Westwood Studios im Jahr 2003 machten schließlich alle Hoffnungen auf eine digitale Version des Spiels zunichte. Es war weiterhin nur in der Version mit vier CDs erhältlich, die aber nicht mit modernen Computern kompatibel ist. Die Situation wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass der ursprüngliche Code des Spiels bei einem der Umzüge von Westwood Studios verloren ging

Sie haben einen Männerjob getan, Sir. Ich schätze, Sie haben's geschafft, hm?
Wie heißt es? Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Um der Videospiel-Version von Blade Runner zu ihrem alten Glanz zu verhelfen, waren ein sehr nützliches Tool und ganz viel Leidenschaft für Retro-Spiele nötig. Bei dem Tool handelt es sich um ScummVM, ein Programm, das als Emulator für die alten LucasArts-Adventures dient und viele Spieleklassiker unterstützt, die auf GOG.COM erhältlich sind. Die Leidenschaft stammte von den Programmierern, die acht Jahre damit verbrachten, den Code auf den CDs von Blade Runner zu zerlegen und schließlich wieder zu einer digitalen Version zusammenzufügen.
Dank ihrer Arbeit und der gemeinsamen Anstrengungen von Alcon Interactive Group und GOG.COM steht Blade Runner jetzt in einer modernisierten, digitalen, DRM-freien Version zur Verfügung. Und das Timing könnte nicht besser sein. Seit dem Erscheinen des Spiels sind 22 Jahre vergangen, und das Datum aus dem Vorspann – November 2019 – ist gerade von der Zukunft zur Vergangenheit geworden. Außerdem entsteht dank der filmischen Fortsetzung, die vor zwei Jahren in die Kinos kam, gerade eine ganz neue Generation von Blade-Runner-Fans. Nun können sie auch dieses absolut überwältigende Spiel erleben.