Ich würde hier unterscheiden zwischen der oder minder subtilen "Modernisierung" von älteren Spielen - also den 3 RE (Remaster, Remake, Reboot) auf der einen, und Neuentwicklung von Spielen, die "alt" aussehen.
Was die REs angeht: Da kann man sich sicher im Einzelfall drüber streiten, wie sinnvoll und gerechtfertigt oder auch gelungen diese sind. Ich finde z.B. Bard's Tale Trilogy ganz hervorragend gelungen, und ich bin sehr gespannt auf das Night-Dive-System Shock.
Es gibt ein ganz paar Klassiker, die ich früher gern gespielt habe, habe die mir dann heute in Sachen UI, Komfortfunktionen und, ja auch, Grafik und Sound doch zu altbacken sind. Da würde ich mir eine ähnliche Behandlung schon wünschen.
Aber natürlich gibt es dort auch Abzocke (mal schnell HD-Mod drangeflanscht...), Verschlimmbesserungen und Spiele, wo man sich nach dem Sinn eines "Remaster" fragt und andere Ärgernisse. Was ich immer ärgerlich finde, ist wenn nach dem Release des "RE" die Originalversion verschwindet (oder nur noch als Bonus zur teureren "Enhanced" version erhältlich ist). Denn ansonsten gilt einfach der Grundsatz "Informiere Dich vor dem Kauf!", aber wenn das Original nicht mehr zu haben ist, fällt ja auch diese Entscheidung weg.
Eigentlich sollte ein gutes Remaster/Remake das Original ja nicht zu fürchten haben...
Das Schöne an gelungenen Remakes von Uralt-Spielen ist - die gefallen dann nicht nur mir, sondern auch einem jüngeren Publikum, die so oft erst einen Zugang zu dieses Klassikern bekommen.
Zum Thema "ich bin so Retro": Da kommt mir immer dieses Bild in den Sinn:
https://me.me/i/what-indie-game-developers-think-retro-looks-like-what-retro-22507035 Da ist viel wahres dran.
Natürlich ist vieles Limitierungen von Zeit, Budget und Talent geschuldet. Ein Spiel kann auch mit Grafik a la "netter Platzhalter" noch gut sein. Dann sollte man das aber nicht als "Retro-Look" anpreisen, sondern ehrlich - auch zu sich selbst - sein.
Die besten Spiele dieser Art zitieren die Klassiker, aber entwickeln daraus etwas neues, eigenes, wie z.B. Hotline Miami, Pony Island oder auch die Bit-Trip-Spiele. Auch sollte man nicht den Fehler machen, Pixel-Art und "Retro" gleichzusetzen - das ist einfach ein visueller Stil (mit wiederum etlichen Unterformen) - Malen am Touchscreen macht ja auch Ölfarbe oder Aquarell nicht "Retro", nur weil das früher halt auch benutzt wurde.
Was außerdem auch oft übersehen wird: Wenn heute ein Spiel wie Doom oder Quake aussieht, oder auch wie ein opulenter Pixel-Platformer a la Lionheart, fehlt diesen Spielen doch ein - IMO durchaus wichtiges - Merkmal, was diese Spiele in ihrer Zeit auszeichnete: Die waren die absolute Speerspitze der Technologie, da klappten die Kinnladen runter, wenn man die zum ersten Mal sah. Für mich persönlich ist das ein wichtiger Teil des nostalgischen Gefühls (auch wenn grad Doom und Quake auch spielerisch immer noch über alle Zweifel erhaben sind), den "moderne Retro-Spiele" überhaupt nicht auslösen können. Dieses Erinnern an das Wow!-Gefühl, wenn man das Spiel zum ersten Mal gesehen hat - auf dem eigenen Rechner, bei einem Freund oder als Demo im Laden.
Was diese "Modern-Retro"-Spiele aber u.U. gut können, ist ein gewisses Spielgefühl wiederzubringen, welches grad in der AAA-Industrie kaum noch gebracht wird. Dort muß ja immer alles noch viel cinematischer sein, vollgestopft mit Zwischensequenzen und gescripteten Szenen. Und Spielablauf und Leveldesign müssen für Konsolen tauglich bleiben - Shooter müssen langsamerm behäbiger sein, die Gegner kommen fast immer von vorn (weil man sich mit Pad nicht so schnell drehen kann), und man kann nur zwei Waffen tragen. Indie-Spiele müssen da keine Kompromisse machen, da kann man wirklich das alte Spielgefühl nochmal aufleben lassen - das finde ich dann gelungen "Retro".