throgh: Der typisch deutsche Michel denkt aber, dass seine politische Verantwortung mit der Wahl erledigt ist. Wir benötigen mehr direkte Demokratie und ein Empfinden für mehr Empathie.
Vainamoinen: Och, also eigentlich bin ich auch ein ganz grundsätzlicher "Die da oben"-Wetterer, auch wenn ich nicht alles von Aliens unterschreiben würde. Mir ist bewusst, dass aus diesem Gefühl der Ohnmacht und dem Fehlen eines Verantwortungsgefühls Radikale wie die AfD ihre Wähler beziehen: Wer für eine der vier-fünf Etablierten stimmt, stabilisiert die korrupten Platzhirsche; wer für die AfD wählt, glaubt absurderweise, das korrupte System zu demontieren.
Wer verspricht denn auch z.B. einen Korruptionsabbau in der deutschen Politik oder weniger Totalüberwachung, mit Ausnahme der Putin-Partei? Wer möchte die EU reformieren, statt sie mit schwachsinnig opportunistischen Gesetzesvorlagen zu überfüttern (Öttinger) oder schlicht zu sabotieren (AfD)? Wer legt ein halbwegs sinnvolles Rentenkonzept vor, statt die Mülltonnenfischer zu ignorieren (CDU/CSU/FDP)? Für vieles, was mir persönlich wichtig ist, kann ich einfach keine zählende Stimme abgeben.
An der Idee einer "direkten Demokratie" zweifle ich zutiefst. Für mich steht das Scheitern der Piratenpartei für das Scheitern der Idee einer direkten Demokratie. Wir wählen nicht Ideen, wir wählen Volksvertreter, die für bestimmte Ideen stehen, weil sie sich (hoffentlich!!) für diese begeistern können. Wäre es anders, wären die Vertreter ja nur Marionetten eines volksgewählten, zerrissenen Schwarmwillens – eine groteske Papageienfunktion, der Marina Weisband aus gutem Grund bye-bye gesagt hat. Wie soll das funktionieren?
Mit der Parole "
mehr Empathie" komme ich dagegen gut zurecht. Ich hoffe eigentlich, dass mein Wirken on- und offline irgendwann einmal zum größten Teil unter dieser Überschrift steht. Verschwörungstheorien gezielt entkräften; Hetze mit Fakten entgegentreten; entmenschlichende Feindbilder ächten; Hassprediger blosstellen; für ein Miteinander werben; auf Randgruppen zugehen und sich uneigennützig für diese Randgruppen einsetzen.
Bleibt die Hoffnung, dass genau das der Weg raus aus der AfD-Tendenz ist. INSA-Umfrage gestern: 14,5% bundesweit, vor Linke, Grüne, FDP. Prost Mahlzeit.
Hinsichtlich "direktere Demokratie" könnten wir uns am Modell der Schweiz auch orientieren. Aber zuvor muss auch der Lobbyismus in den Griff bekommen werden: Es wäre schön wenn wir Ideen wählen und Entscheidungen, danach dann Menschen haben, die diese tragen und weitergeben. Problem dabei jedoch: Wir wählen eine Partei, die intern dann Vertreter bestimmt und dieser wiederum mag sicherlich gute Ziele haben, unterliegt dann jedoch dem Lobbyismus und einer Gewöhnung an den Status "Besser als Andere" - polemisch formuliert.
Wir könnten uns sicherlich nun längerfristig über gute oder schlechte Modelle unterhalten, eine große oder kleine Revolution planen oder zumindest niederschreiben. Wichtig ist aber in jedem Fall zunächst einmal mehr Empathie und vor allem auch Willen diese wirklich einzusetzen, zu verstehen, sich Zeit zu nehmen und auch durchweg den Egoismus einmal beiseite zu legen.
EDIT: Und natürlich ist unser bestehendes Modell voller Korruption. Aber wenn ich jetzt etwas weiter oben ansetze: Wir sind alle korrupt. Selbst wenn ich schon eine Gehaltserhöhung annehme und mehr Vorteile mitunter bekomme, eine neue Position für "mich" vereinnahme ... mache ich mich zum Helferlein eines mehr als fragwürdigen - ich würde es menschenfeindlich nennen - Systems. Ich bin da keineswegs besser und unterliege dem ebenso wie Jeder. Aber man kann versuchen etwas zu ändern! Andernfalls wird uns das in Bälde von ganz allein einholen und das wird dann so richtig "fies".
Wir brauchen eine bessere Geschichte: Es muss sich für alle Menschen gleichermaßen lohnen an mehr Demokratie zu glauben. Sie implizit oder explizit zu verlangen ist das Eine, aber das Andere bedeutet auch gleichsam mehr Verantwortung. Mein Wortlaut "deutscher Michel" bezog sich eben darauf. Die Forderung ist gut, die Umsetzung dann aber wiederum schlecht weil man dann auf einmal nur dem nächsten Schreihals nachjagt der das "Blaue vom Himmel" verspricht durch Umsetzung teils faschistoider Mechaniken und mehr Ungleichheiten bzw. Zwänge für Minderheiten. Natürlich möchte man seine Meinung repräsentiert wissen: Aber das klappt nicht mehr auf Anhieb. Dazu ist der Verzahnunsgrad zu hoch und die Politik zu abgehoben da zu "gewöhnt" oder "verwöhnt". Also warum beispielsweise nicht wirklich einer Randpartei die Stimme geben? Etwas wirrer Vorschlag: DIE PARTEI. Je mehr Menschen das machen desto mehr zeigen sich Probleme mit dem vermeintlich demokratischen Wahlsystem. Konservative oder liberale Modelle sind dahingehend nur noch Worte auf dem Papier. Selbst eine SPD hat mit der Agenda 2010 das Schlimmste überhaupt durchgewunken und noch mehr Ungleichheit geschaffen. Also begegnet der Wähler letztendlich einfach und seriös dem Ganzen mit der eigenen Absurdität. :) Es muss dann auch aber eine Partei sein, die nicht noch schlimmere Grundwerte präsentiert oder Populismus fordert - siehe AfD. Und es ist dann auch die Aufgabe des Wählers direkt gerade solche Teilnehmer zu filtern und ihnen Boden zu nehmen: Durch Fragen, durch Satire. Direkte Konfrontation ebenso in der politischen Landschaft. Keine "Schmuddelkinder" sondern echte Demaskierung "übelster Demagogie". Beschimpfungen oder Verunglimpfungen gibt diesen Leuten sogar noch Wind im Segel - siehe Trump.