Schade! Aber ein Auge werde ich darauf behalten. Vielleicht mit ein paar Updates... denn der Stil ist genau mein Ding.
Dear Esther... ach, ja. Ein Mann überlebt den tödlichen Autounfall seiner Frau und verarbeitet das, indem er ihr schreibt und dabei die Schritte eines Schiffbrüchigen auf einer schottischen Insel verfolgt, dessen Odyssee er mit seiner "Reise" gleichsetzt.
Schließlich stürzt er sich, je nach Interpretation, im übertragenen Sinne, oder tatsächlich von einem Turm, verwandelt sich in einen Vogel und ist so wieder mit ihr vereint - oder nicht? Oder doch? Oder was ganz anderes? Ist es ein "Loslassen" oder ist es im Gegenteil gerade das "nicht loslassen können"? Ist es Befreiung oder Aufgeben? Verliert er den Verstand, oder das Gegenteil: Ist es ein Erwachen, aus der Starre der Trauer? Transformiert ihn die Insel? Steht die Insel für etwas anderes? Et cetera.
Es bleibt den Spielern überlassen, die letzte Szene zu interpretieren. Da bei jedem Spiel die Auswahl der vorgetragenen Briefausschnitte variiert, verändert sich das Narrativ der Geschichte jedes Mal und damit auch (manchmal) die Interpretation der letzten Szene.
Tolles Teil. Muss man probiert haben. Aber: Die Texte sind teils sehr poetisch und durch die zufällige Auswahl der Hinweise muss man schon einiges an Kreativität investieren, um das sinnhaft zusammen zu puzzeln, da eben dieser Sinn variiert, je nachdem welche Information zufällig weggelassen wird. Das Spiel erklärt sich dazu in keinster Weise.
Am Ende bleibt die Frage: Was ist die eigentliche Genialität? Ist dort ein tiefes Narrativ verborgen, eine universelle Wahrheit, die wir nicht verstehen? Oder sind die Texte nur zufällig zusammengewürfeltes wahlloses Geschwurbel, dessen einziger Sinn dadurch entsteht, dass wir unbedingt einen Zusammenhang erkennen wollen? Sprich: Ist der Sinn inhärent vorhanden, oder ordnen wir dem Gesehenen einen Sinn zu, weil wir dessen Abwesenheit nicht ertragen können?
Oder steckt die Genialität gerade in der Tatsache, dass wir diese Frage nicht wirklich beantworten können? Ist die Genialität im Umkehrschluss, dass ein Spiel uns dazu bringt, überhaupt existenzielle Fragen zu stellen? Und ist das am Ende in sich selbst das Ziel des Spiels?
Dear Esther. Danke! Es war schön, Dich gekannt zu haben.
Post edited November 11, 2023 by Nervensaegen